Francisco Tropa | Der im Bart versteckte Schnauzbart – Das Herz und die Lunge

Der im Bart versteckte Schnauzbart – Das Herz und die Lunge
Opening: Friday, February 14, 2020 | 6 – 9 pm
February 15 – June 13, 2020

Film by Jonathan Sammon

The Art of Answering (II)*

The heart and the Lungs is the third and last ‘moment’ (the artist prefers this term to any other) of the cycle The Moustache Hidden In The Beard, for which Francisco Tropa has been producing complex exhibition situations that bring together disparate formal elements, techniques and disciplinary fields: drawings, sculptural pieces, graphic and photographic prints, mobile devices, film projections and the most diverse kinds of constructions. Contingent upon the place in which each moment is presented, the installation may also differ slightly. Finally, the cycle is completed by three publications, which prolong and partially echo it and constitute more than mere summarizing or documenting catalogues.    

A mix of incongruency and deliberateness, compositive meticulousness and nonchalance, firmly situates Francisco Tropa’s work within the sphere of a Duchampian lineage, particularly one that includes such figures as Georges Perec, René Magritte, Marcel Broodthaers and, broadly speaking, those twentieth century’s avant-gardist works dedicated to poetically tear apart the narrative dysfunctions pertaining to the word, the image and the relationship between both.   

The whole environment that integrates and envelops the cycle is aimed at awakening the detective impulse in the viewer. In the hope that the collection of disperse clues, of a visual and literary nature, might explain motivations and procedures, we try to take note of minute evidences and apply a sweeping inquisitive gaze to the ‘crime scene’ that opens itself up to us fragmentarily. The narrative, however, is far from forensic. The closer we examine what seems  to have been left untouched, the more we feel like part of some sort of laboratory experiment, interrupted at an advanced stage but nevertheless far from over. Mental images that aspire to be all-encompassing prove disconnected, inconsistent and inconclusive. Here, ‘to investigate’ means accepting the difference between solving a crime and facing an enigma. While in the first case a retrospective sequencing of pertinent facts is crucial, in the second, the narrative is a power unto itself – a continuous unfolding of language in itself, which draws and projects us onto a superficial abyss, which simultaneously constitutes its depth.  

Francisco Tropa is fully aware that today art is an ambiguous, somewhat suspicious category. However, that does not prevent it (particularly for its most committed practitioners) from being an area where answers take shape that, in their peculiarity, are a ‘matter of life or death’.  To be sure, the variety and abundance of answers now at our disposal did not lead us toward the one answer that would save us from a fatal destiny; the devices, apparatuses, pieces and sets in this cycle designate a constant and tentative practice – an art of answering – in which the beautiful, that outcast word, resides in material situations that preserve in themselves an intersection of narratives without any hierarchy or mutual exclusion, and which are as empirically credible as they are open. Clear and obscure, vague and precise, these gestures throw veil after veil over the figures of destiny, causing an entanglement between language and the unanswerable. THE-MOUS-TACHE-HID-DENIN-THEBE-ARD.

Manuel Castro Caldas

*Version two of a text with the same title included in Francisco Tropa’s limited edition of silkscreens The Moustache Hidden In The Beard, published in 2018.

Die Kunst des Antwortens (II)*

Im Rahmen des Zyklus Der im Bart versteckte Schnauzbart (O Bigode Escondido na Barba) – in dem Das Herz und die Lunge (O coração e os pulmões) den dritten und letzte ‘Moment’ darstellt (um den Begriff auszugreifen, den der Künstler verwendet) – entwickelt Francisco Tropa aufwendige Ausstellungssituationen, in denen sich formale und technische Elemente unterschiedlicher Disziplinen vermischen: Zeichnungen, Skulpturen, grafische und fotografische Drucke, bewegliche Mechanismen, Filmprojektionen und verschiedenste Arten von Konstruktionen. Abhängig vom Ort, an dem der jeweilige ‘Moment’ präsentiert wird, kann die Installation leicht variieren. Schließlich wird der Zyklus durch drei Publikationen vervollständigt, die eher als Erweiterungen und Teilecho zu betrachten sind und nicht ausschließlich als Kataloge, die die Präsentationen zusammenfassen oder dokumentieren.

Eine Mischung aus Inkongruenz und Bedachtsamkeit, Akribie und kompositorischer Nonchalance rückt das Werk von Francisco Tropa in den Kreis eines Duchamp´schen Erbes. Mit diesem werden insbesondere Personen wie Georges Perec, René Magritte, Marcel Broodthaers assoziiert und schließt im Allgemeinen jene avantgardistischen Werke des 20. Jahrhunderts ein, die auf poetische Art und Weise die Störung im Narrativ in Wort und Bild (und deren Verhältnis zueinander), seziert haben.

Die gesamte Umgebung, die den Zyklus umgibt und einhüllt, zielt darauf ab im Betrachter detektivische Impulse zu wecken. In der Hoffnung, dass das Sammeln verschiedener visueller und literarischer Hinweise die Motivationen und Vorgehensweisen erklärt, registrieren wir kleine Indizien und durchforsten mit wissbegierigen Blicken den „Tatort”, der sich uns nur in Fragmenten offenbart. Die Erzählung jedoch stammt nicht aus einem Kriminalroman. Je näher wir das fokussieren, was unberührt scheint, desto mehr haben wir das Gefühl, Teil irgendeines Laborexperiments zu sein, das im fortgeschrittenen Zustand, jedoch weit vor seinem Abschluss, unterbrochen wurde. Gedankliche Bilder, die nach einem Gesamtzusammenhang streben, entpuppen sich als unverbunden, inkonsistent, uneindeutig. “Ermitteln” heißt hier, den Unterschied zwischen dem Lösen eines Kriminalfalls und dem vor einem Rätsel Stehen anzuerkennen.  Während es bei Ersterem fundamental ist, die Verkettung relevanter Fakten zu rekonstruieren, hat bei Letzterem die Erzählung eine Macht per se – das fortwährende Entfalten der Sprache in sich selbst, die uns ködert, uns anzieht und in den Abgrund der Oberfläche zieht, der gleichzeitig ihre Tiefgründigkeit ist.

Francisco Tropa weiß wohl darum, dass die Kunst heute eine ambivalente und etwas fragwürdige Kategorie ist. Dennoch bleibt sie weiterhin, zuallererst für ihre engagiertesten Praktizierenden, ein Bereich, in dem sich Antworten herausbilden, die in ihrem besonderen Ausdruck eine „Frage von Leben und Tod” sind. Natürlich hat die Vielfalt und Fülle von Antworten, die wir heute besitzen, uns nicht derjenigen angenähert, die uns vor einem verhängnisvollen Schicksal retten könnte. Und doch bestimmen die Vorrichtungen, Apparate, Objekte und Gruppen dieses Zyklus eine kontinuierliche Praxis und einen Versuch – eine Kunst des Antwortens –, in dem das Schöne, dieses verbotene Wort, Situationen aus Materialien innewohnt, die in sich selbst empirisch glaubwürdige, offene, verflochtene Erzählungen tragen, ohne Hierarchien oder gegenseitige Ausschlüsse. Klare wie unklare, vage wie präzise Gesten werfen Schleier um Schleier über die Figuren des Schicksals und bringen die Sprache dazu, sich auf etwas einzulassen, was keine Antwort hat. OBI-GODE-ESC-OND-IDO-NAB-ARBA.

Manuel Castro Caldas

*Zweite Version eines gleichnamigen Textes aus Francisco Tropas limitierter Edition von Serigraphien O Bigode Escondido na Barba, veröffentlicht 2018.

Francisco Tropa: Der im Bart versteckte Schnauzbart – Das Herz und die Lunge
Gregor Podnar, Berlin, Germany
Short film by Jonathan Sammon
vimeo.com